Original Buchtext:
- Das Grauen, 9. September 1974
Kleinstadt im Süden Deutschlands
Der erste Schultag im Mädchengymnasium ist fast überstanden, nur noch die letzte Stunde steht an und ich stehe abseits im Pausenhof und überlege mir, ob irgendjemand hier raucht. Eventuell die älteren Schülerinnen? Mit meinem Outfit steche ich ganz schön heraus und ziehe die Blicke auf mich. Ich tue möglichst cool und lehne mich lässig an das Mäuerchen, das den Pausenhof zur Straße hin abtrennt. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie eine hochgewachsene Schlanke mit braunem Lockenkopf auf mich zukommt. Sie setzt sich neben mich auf das Mäuerchen und schaut mich von der Seite an.
„Neu hier?“
„Ja.“
„Ich bin Susi, ich bin in der Sechsten.“ Ich drehe mich zu ihr herum und schaue sie mir genauer an. Ok, sie ist auch nicht schlecht angezogen. Die knallenge Jeans betont ihre schlanke Figur und sie hat total abgefahrene Stiefeletten mit Fransen an.
„Rauchst Du?“ Frage ich sie und sie grinst mich herausfordernd an.
„Ja klar, am liebsten Selbstgedrehte.“
„Und wo kann man hier rauchen?“
„Das ist hier total verboten, aber außerhalb des Schulgeländes gibt es einen kleinen Spielplatz, der ist vom Schulhof aus nicht einsehbar, da treffen sich immer die Raucher. Aber wir dürfen erst ab der 10. Klasse den Schulhof in der Pause verlassen. Wenn Du magst, kann ich dir morgen in der großen Pause zeigen, wie wir trotzdem da hinkommen.“
„Das wäre super.“ Sage ich, als die Pausenglocke schrillt.
Susi wird meine erste und einzige Freundin während der gesamten Schulzeit sein. Ab dem ersten Schultag treffen wir uns in jeder Pause und lassen die zunehmend abschätzigen und gehässigen Kommentare unserer Mitschülerinnen an uns abprallen. Es trennen uns Welten von den anderen und es sollte im Laufe der Schuljahre nicht besser werden. Eine anstrengende, von Unverständnis und schmerzlichen Sanktionen geprägte Schulzeit steht mir bevor, zum Glück ahne ich das Ausmaß der Strapazen der nächsten 8 Jahre noch nicht.
hinter dem Schulhof
„mach doch nicht so ein Büro auf, rauch erst mal eine“